Als der VfB Bottrop die beste Saison seiner Klubgeschichte spielte
125 Jahre VfB Bottrop: Die Spielzeit 1962/63 beendete der Klub als Meister. Doch ausgerechnet die Bundesliga-Gründung verhindert die Erstklassigkeit.
Es roch nach Zigarren und Kaugummi, viele Spieler waren auf Kohle geboren, alle auf Asche abgehärtet und Menschen saßen in Baumkronen, als der VfB Bottrop die beste Saison seiner Vereinsgeschichte spielte. Den Aufstieg in die erste Liga verpassten die Schwarz-Weißen nach einer furiosen Spielserie nur, weil in diesem Sommer 1963 aus fünf Oberligen mit 74 Klubs die neue Bundesliga mit nur 16 Mannschaften entstand.
1962/63 spielte Bottrop in der II. Division West eine herausragende Rolle und wurde schließlich Zweitligameister. „Wir hatten ‘ne gute Mannschaft“, erinnert sich Fred Bockholt, der Zweitjüngste damals mit 19 Jahren: „Didi Ferner war natürlich die treibende Kraft im Mittelfeld. ‚Matta‘ Kaufmann Mittelstürmer und Paul Baron außen, ‚Pascha‘ Mikolaiczak als Mittelläufer – das waren gute Leute alles.“
Klaus Beckfeld: Wir waren auf uns allein gestellt, das hat zusammengeschweißt
Der später in mehr als 200 Bundesligaspielen erprobte Torwart fasst es pointiert, mit dem ihm eigenen Schmunzeln zusammen: „Wir sind nicht umsonst Erster geworden.“ Klaus Beckfeld, vier Monate jünger, lobt den „unheimlichen Zusammenhalt. Wir hatten ja keine Sponsoren oder sonstiges, waren auf uns alleine gestellt. Das hat uns natürlich alle zusammengeschweißt.“

Punktgleich setzte sich Bottrop gegen den TuS Duisburg 48/99 durch, vor der SpVgg Herten, STV Horst Emscher, Rot-Weiss Essen, Arminia Bielefeld und dem SV Sodingen – extrem namhafter Konkurrenz in dieser Zeit. Die ganz großen Klubs Köln, Dortmund, Schalke und Gladbach gehörten damals der Oberliga mit ihren fünf Gruppen, Nord, West, Südwest, Süd und Berlin an, der höchsten Klasse in Deutschland.
Die Gaststätte Hinz in der Stadtmitte, wo heute der ZOB ist, war damals die VfB-Stammkneipe. „Siege wurden hier gefeiert und Niederlagen begossen“, erzählte der 2021 verstorbene Alfred Kubitza. „Nach schwachem Start sind wir in der Saison immer besser geworden.“ Was ihnen in den fünfziger Jahren zweimal misslungen war, schafften sie am 17. Juni 1963: endlich die Tabellenführung ins Ziel zu retten.
Mit 83 Jahren immer noch regelmäßig beim Training: Dieter Münnich
Den „sehr guten Zusammenhalt“ würdigt auch Dieter Münnich, Rechtsaußen damals und eher Vorbereiter als Vollstrecker: „Tore? Nee, davon war ich nicht beseelt.“ Zum Mannschaftsklima gehörte auch, nicht zu petzen, wenn einer das Training schwänzte. Münnich: „Adolf Lukaschewski, auch ein Außenstürmer, hat immer gesagt, er müsse auf der Zeche arbeiten.“ Was aber nicht stimmte.
Münnich hat noch guten Kontakt zu Bockholt, mit dem er auf Trainingslagern das Zimmer teilte, und auch sonst zum Klub: “Dienstags gehe ich immer zu den Alten Herren – gucken und schwätzen.“
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83 ist er inzwischen, zwei Jahre älter als Beckfeld und Bockholt, der damals 13 Spiele für den verletzten Stammtorwart Walter Tannemann machte und vor dem ersten Training in die Hierarchie eingewiesen wurde. „In der Baracke an der Jahnstraße, wo wir uns umzogen, habe ich meine Sachen an einen Haken gehangen, dann kam der Pascha (Mikolaiczak, d. Red.) und schimpfte: ’Mein Freund, das ist mein Haken‘. Da hab ich ganz schnell einen anderen gesucht.“
Über 51.000 Zuschauer sehen die Heimspiele des VfB Bottrop
Insgesamt aber, betont Beckfeld, seien sie „sofort von allen älteren Spielern wie Mikolaiczak und wie sie alle hießen, total toll aufgenommen worden“.

Mehr als 51.000 Zuschauer und wenige Zuschauerinnen kamen zu den 15 Saisonspielen, gegen Rot-Weiss Essen waren es wohl über 7.000. „Die Menschen saßen auf den Dächern umliegender Häuschen,“ weiß noch Manfred Dubski, damals acht Jahre alt. Der 190-fache Bundesligaspieler von Schalke und Duisburg kickte für Fortuna Bottrop und war nur zu diesem einen Spiel beim VfB, bei dem wohl auch Leute auf Bäume kletterten um zuzusehen.
Zuschauer finden auch auf verbotenen Wegen ins Jahnstadion
Die Knirpse wie der gleichalte Hermann Beckfeld, später Chefredakteur der Ruhrnachrichten, fanden auch verbotene Wege ins Jahnstadion: „Wir konnten üben den Zaun klettern.“ Der „wurde damals noch nicht so gut bewacht“, weiß auch Bockholt.
Nach 62 Jahren erinnert sich Beckfeld – nicht verwandt mit Mittelfeldspieler Klaus Beckfeld – noch an „den Geruch von Zigarren und Kaugummi“ im Stadion. Den gab’s sicher auch am 17. Juni 1963 zum Saisonabschluss gegen den abgeschlagenen VfL Bochum.

In der 32. Minute staubte Diethelm „Didi“ Ferner zum 1:0 ab, nachdem Bochums Keeper Heinz Streckbein einen Schuss Horst Stedes nur abwehren konnte. Ein Alleingang von Dieter Münnich kurz vor dem Pausenpfiff bereitete den zweiten Treffer durch Stede vor. Mit dem 2:0-Sieg überholte der VfB noch Tabellenführer Duisburg 48/99, der in Gladbeck mit 1:5 verlor.
Postkarte setzt den Meisterhelden des VfB Bottrop ein Denkmal
Eine kreativ gestaltete Postkarte setzte den Helden in Schwarz-Weiß ein Denkmal. Die Zweitligameister waren darauf als Bergsteiger zu sehen. Von ganz unten nach ganz oben. Mehr als die Hälfte der Spieler lebt heute noch. Günter „Pascha“ Mikolaizczak, nach dem seit den sechziger Jahren der Miko-Pokal für das große Altherrenturnier benannt ist, starb 2004, später Kaufmann, Kubitza und Ferner.
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Trainer Werner Stahl aus Oberhausen ist seit mehr als zwanzig Jahren tot, ein zurückhaltender und empathischer Fußballlehrer. „Er hatte im Grunde ein Verständnis für jeden einzelnen Spieler“, berichtet Klaus Beckfeld. „Das gehörte mit dazu, dass diese Mannschaft so gut funktioniert hat. Er war geduldig, kein Schreihals.“
VfB bleibt nach der Meisterschaft zweitklassig und spielt ein Jahr in der Regionalliga
Der Zweitligameister VfB Bottrop blieb vor 62 Jahren allerdings Zweitligist, stieg nicht wie sonst üblich in die erste Liga auf – wegen der neuen Bundesliga. Immerhin kamen Beckfeld, Bockholt (nun Stammtorwart) und Kollegen in eine Liga mit Bayern München – in die neue Regionalliga.