Bottroper Trainerlegende: „Nachts habe ich meine Spieler in den Kneipen kontrolliert“

Unter ihm spielte der VfB Bottrop so hoch wie seitdem nicht mehr: Horst Bistrich. Beim Kaffee verrät der Trainer-Altmeister sein Erfolgsrezept und warum ihn Spieler „fürchteten“.

„Er ärgert sich immer so, wenn er etwas vergisst“, sagt Ehefrau Karin. Das ist aber normal für einen Herren seines Alters – erst recht für einen, der so viel erlebt hat.

Horst Bistrich, 85, ist im Bottroper Fußball – und darüber hinaus – eine lebende Legende. Als Trainer führte er den VfB Bottrop vor über 40 Jahren auf eine Ebene, die der größte Fußballverein der Stadt seither nie wieder erreichen konnte. 1981 gelang den Schwarz-Weißen unter ihm der Aufstieg in die Oberliga Nordrhein, zu dieser Zeit dritthöchste Liga im deutschen Fußball.

Ex-Trainer vom VfB Bottrop: „Wer um fünf nicht im Bett lag, war raus!“

Bei Kaffee und Kuchen mit Ehefrau Karin, mit der Horst Bistrich seit über 60 Jahren verheiratet ist, und seinem alten Freund und Weggefährten Benedikt Mies, ehemals Präsident vom VfB Bottrop, kommen ihm die Erinnerungen ganz schnell wieder. Anekdoten von früher gibt es ja genug, sie sprudeln nur so aus ihm heraus.

Horst Bistrich, oben dritter von links, und seine Aufstiegsmannschaft des VfB Bottrop 1980/81. © privat | Privat

Angesprochen auf eine ganz Bestimmte, antwortet Bistrich auch prompt und wie selbstverständlich: „Ja, das habe ich gemacht.“ Als Trainer war er bei einigen Spielern nämlich als „harter Hund“ gefürchtet. Nicht ganz zu Unrecht. Seine Maßnahmen gingen soweit, dass er vor Spielen nachts in den Kneipen der Stadt anrief oder selbst vorbeifuhr, um zu kontrollieren, ob seine Spieler noch am Tresen saßen. „Wer um fünf Uhr morgens nicht zuhause im Bett lag, war bei mir raus aus dem Kader!“

Und das konnte allen passieren. „Einmal war es der Klaus-Peter Wittebrock, eigentlich einer der ganz wichtigen Männer für uns hinten links. Aber auch bei dem habe ich am nächsten Tag gesagt: ‚Brauchst dich nicht umziehen.‘ Vielleicht ein Fehler, das Spiel haben wir 0:2 verloren.“ Disziplin war dem hauptberuflichen Lehrer Bistrich wichtig, Alkohol als Sportler für ihn ein Fremdwort.

Horst Bistrich: Anfänge bei Rhenania Bottrop, 2. Bundesliga in Mülheim

Als Trainer mag er einer der strengeren Sorte gewesen sein. Wer mit Horst (man darf schnell Du sagen) an der Kaffeetafel sitzt und mit ihm in Erinnerungen schwelgt, merkt aber, dass er vor allem ein alter Junge aus dem Ruhrgebiet geblieben ist, der einfach den Fußball liebt. Seit seiner Kindheit. „Ich habe ja mehr Zeit auf Fußballplätzen verbracht als sonst wo“, so Bistrich.

Selbst spielte er als Torwart bei Rhenania Bottrop – sein eigentlicher Heimatverein. Ende der 1970er trainierte er die Mannschaft und verhalf ihr in die Bezirksliga, später war er als sportlicher Leiter und im Vorstand aktiv. „Die Rhenania verfolge ich schon immer. Es freut mich, dass die es jetzt in die Landesliga geschafft haben.“

Ehrennadel für den Bottroper Aufstiegstrainer: Horst Bistrich (4. von links) mit seiner Mannschaft vom VfB Bottrop 1981 beim Empfang im Rathaus. © privat | Privatv

Seine erste große Station als junger Trainer bekam Horst Bistrich im Sommer 1975 aber außerhalb von Bottrop. Er übernahm den 1. FC Mülheim in der 2. Bundesliga, wo er unter anderem auf einen Verein traf, der in der ersten Hälfte der 70er quasi so dalag wie heute Schalke: Borussia Dortmund. Die Mülheimer waren damals allerdings ein noch größerer und finanziell gebeutelter Chaos-Klub. Bistrichs Engagement endete nach nur neun Spielen.

„Zuckerbrot und Peitsche“ – so führte Trainerlegende Bistrich den VfB zum letzten großen Erfolg

In Bottrop übernahm er 1980 die 1. Mannschaft des altehrwürdigen VfB und schaffte mit ihr in seiner ersten Saison den Aufstieg in die damals drittklassige ehemalige Oberliga Nordrhein – jener seitdem letzter großer Erfolg der Bottroper. „Wir spielten vor 12.000 Zuschauern“, erinnert sich Bistrich. „Das kann man sich hier heute gar nicht vorstellen.“

Sein Erfolgsrezept sei „Zuckerbrot und Peitsche“ gewesen. „Die wusste ich, je nachdem, im richtigen Moment anzuwenden. Ich bin meinen Grundprinzipien dabei aber immer treu geblieben.“ Der Jubel in Bottrop nach der Aufstiegssaison war groß – Autokorso und Empfang auf dem Rathausbalkon inklusive. „Ich weiß noch, wie ein paar Fans Horst auf Schultern getragen haben, und von links und rechts kamen Leute und haben ihm vor lauter Dankbarkeit Geld in die Taschen gesteckt“, lacht Karin Bistrich noch heute.

„Sie trugen ihn auf Schultern und steckten ihm Geld in die Tasche.“ Die Freude bei den Bottroper Fans war groß, als Trainer Horst Bistrich den Traditionsverein VfB 1981 wieder in höhere Gefilde führte. © privat | Privat

Die Freude hielt nur nicht lange. Nach einer Saison in der Oberliga stieg der VfB wieder ab. Bistrich blieb im Amt, musste erst nach dem erneuten Abstieg in die Fünftklassigkeit im Sommer 1983 gehen. Der Wind hatte sich da auch schon länger gegen den Trainer gedreht: „Es gab bereits nach dem Aufstieg so fünf, sechs Spieler, die mich loswerden wollten. Ich wusste auch immer wer, aber du kannst ja nicht von jedem geliebt werden.“

VfB Bottrop: Ex-Erfolgstrainer Bistrich blickt skeptisch auf den Verein heute

„Es war nicht immer einfach“, findet auch Karin Bistrich, meint das aber in privater Hinsicht. „Wir haben wegen Fußball auf Vieles verzichtet, Urlaube abgebrochen, weil die Saisonvorbereitung früher losgehen musste.“ Sie komme aber aus einer Fußballerfamilie und sei daran gewöhnt gewesen. Und: „Horst hat für die damalige Zeit auch immer gutes Geld mit dem Fußball nebenbei verdient. Wir haben jung geheiratet, hatten später ein Haus. Das konnten wir gut gebrauchen.“

Alte Weggefährten beim VfB Bottrop: Ex-Trainer Horst Bistrich und Ex-Präsident Benedikt Mies schwelgen gerne in alten Zeitungsausschnitten. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Apropos Urlaube abgebrochen. Bald wird der VfB Bottrop 125 Jahre alt und Bistrich besucht oft noch die Heimspiele der Mannschaft in der Landesliga. Wie blickt der letzte Erfolgstrainer des Traditionsklubs auf die aktuellen Entwicklungen des Vereins? „Vor nicht allzu langer Zeit war ich bei einem Spiel, da fiel mir auf, dass der Trainer gar nicht auf der Bank saß“, erzählt er. „Ich habe gefragt, wo der sei. Der war im Urlaub! Ein Trainer, der mitten in der Saison in den Urlaub fährt – das ist ja unmöglich.“

Da blitzt er dann doch wieder durch: Der Disziplin-liebende „harte Hund“ Horst Bistrich.